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Out of Africa: Kleine Schritte
Ruedi Lüthy Foundation

Out of Africa: Kleine Schritte

9. September 2013 – „Vor einigen Tagen habe ich nach langer Zeit Takudzwa, ein dreijähriges Mädchen, wiedergesehen. Es steckte voller Lebensfreude, lachte und rannte im Hof der Klinik umher – eben so, wie ein Kind das in diesem Alter tut.

Takudzwa ist das ganz und gar nicht selbstverständlich. Sie kam HIV-positiv zur Welt. Für die ganz Kleinen, die bei der Geburt oder beim Stillen mit dem Virus angesteckt werden, bedeutet die HIV-Infektion einen besonders schwierigen Start ins Leben. Bei einem Drittel der HIV-infizierten Kinder treten nämlich schwere Entwicklungsstörungen auf, die manchmal erst im Lauf der Jahre offenkundig werden.

Ich erinnere mich noch sehr gut: Vor gut einem Jahr, im Alter von zwei Jahren, konnte Takudzwa kaum stehen, geschweige denn gehen. Hätte ich ihr Alter nicht gewusst, hätte ich sie wohl auf acht Monate geschätzt – so schwerwiegend waren die Beeinträchtigungen.

Diesen Kindern trotz allem einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, ist uns in der Newlands Clinic ein grosses Anliegen. Doch bis hierhin war es ein langer Weg. Als ich vor zehn Jahren hier eine Klinik für HIV-Patienten aufbaute, wollte ich eigentlich gar keine Kinder behandeln. Das mag im Rückblick herzlos erscheinen oder zumindest realitätsfremd. Doch es hatte einen ganz einfachen Grund: Ich hatte keine Ahnung, wie man HIV-positive Kinder behandelte. Zuvor hatte ich in der Schweiz ausschliesslich mit erwachsenen HIV-Patienten zu tun gehabt. Die Realität holte mich in Harare jedoch rasch ein, denn unsere Patientinnen kamen mit ihren Kindern auf dem Rücken zu uns. Die meisten von ihnen waren ebenfalls HIV-positiv und benötigten dringend medizinische Hilfe.

Nach Angaben der WHO leben etwa 3,3 Millionen Kinder weltweit mit HIV. In Simbabwe allein sind es mehr als 200 000. Viel zu überlegen gab es angesichts dieser Realität nicht. Mein Freund Christoph Rudin, leitender Arzt am Universitäts-Kinderspital beider Basel, half mir mit seiner grossen Erfahrung dabei, eine HIV-Therapie für die Kleinen und Kleinsten zu entwickeln, denn Generika für Kinder gab es damals noch nicht, und die Markenpräparate waren viel zu teuer. Bald schon mörserten meine Frau und eine Krankenschwester die grossen HIV-Tabletten für Erwachsene zu Pulver, das korrekt dosiert in Kapseln abgefüllt werden konnte. Das erlaubte uns, den Kindern eine ihrem Gewicht angepasste Dosis abzugeben. Inzwischen betreuen wir über 800 Kinder, und die HIV-Therapie für die Kleinsten ist mit geeigneten Tabletten und Sirup bedeutend einfacher geworden.

Je früher die Therapie einsetzt, desto besser. Denn bei Babys schädigt die HIV-Infektion vor allem das Gehirn, was zu einer starken Störung der geistigen, körperlichen und sprachlichen Entwicklung führen kann. Je später die Kinder mit HIV-Medikamenten behandelt werden, desto grösser sind die Schäden. Normale Meilensteine wie Sitzen, Sprechen oder Gehen werden nicht oder nur sehr viel später erreicht. Ohne gezielte Förderung bleiben diese Defizite bestehen, und die Kinder fallen gegenüber ihren Altersgenossen deutlich zurück. Das sind denkbar schlechte Bedingungen in einem Land, wo sogar die Stärksten ums tägliche Überleben kämpfen müssen. Deshalb haben wir unsere Kleinkinder-Förderung weiter intensiviert und kürzlich ein spezifisches Entwicklungsprogramm mit Physiotherapie, Spieltherapie und kognitiver Stimulation gestartet.

Auch Takudzwa besucht dieses Programm. Dank regelmässigen und zuerst einfachen Übungen hat sie sensationelle Fortschritte gemacht. Innert kurzer Zeit lernte sie zu gehen, ja gar herumzutollen. Die Therapeutin schult auch die Mütter der Kleinkinder, so dass sie zu Hause mit ihnen üben können. Das hat einen wichtigen Nebeneffekt: Ganz nebenbei unterstützt dies die Bindung zwischen Mutter und Kind, die infolge der Krankheit des Kindes oftmals stark gestört ist. Krankheit hat eben hier auch einen spirituellen Inhalt und kann zur Entfremdung führen.

Diese kleinen Erfolgsgeschichten sind es, die meinem Team und mir in schwierigen oder traurigen Momenten Mut machen. Oft sind es die kleinsten Schritte, die den grössten Unterschied machen.“ (Ruedi Lüthy, NZZ)

Ruedi Lüthy lebt seit zehn Jahren in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, wo er die Newlands Clinic für mittellose HIV-Patienten führt.

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