Januar 2017 - Thema des Monats: Lesotho: Dank Forschungspartnerschaft näher an den UNAIDS Zielen - Niklaus Labhardt (Swiss TPH, SolidarMed) im Interview
UNAIDS hat sich bis 2020 ambitiöse Ziele gesetzt: 90 Prozent aller HIV-Infizierten kennen ihren Status, 90 Prozent aller Diagnostizierten haben Zugang zur Behandlung und bei 90 Prozent der Infizierten ist kein Virus mehr im Blut nachweisbar. Mit dieser so genannten 90-90-90 Strategie will UNAIDS die HIV-Epidemie bis 2030 beenden. Erreichbar ist dieses Ziel nur mit konzentrierten Anstrengungen.
Einen vielversprechenden Ansatz verfolgt ein gemeinsames Pilotprojekt in Lesotho von SolidarMed, dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), dem Departement für Biomedizin der Universität Basel und dem Gesundheitsdepartement von Lesotho. Geleitet wird es vom Basler Forschungsleiter Dr. Niklaus Labhardt (Swiss TPH, SolidarMed).
Einer der getesteten Haushalte, die das Projektteam in Lesotho aufgesucht hatte (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Lesen Sie hier das Interview mit Dr. med. Niklaus Labhardt
Door-to-door testing – die ersten 90
Martina Staenke (MS): Herr Labhardt, im Rahmen der UNAIDS Fast-Track Kampagne zur Bekämpfung von HIV/Aids mit dem Ziel 90-90-90 bis zum Jahr 2020 haben SolidarMed und das Swiss TPH gemeinsam mit weiteren Forschungspartnern ein sehr innovatives Projekt gestartet. Um was geht es dabei?
Niklaus Labhardt (NL): Damit ein HIV-Programm erfolgreich sein kann, müssen möglichst viele Patienten alle Schritte der so genannten Behandlungskaskade erfolgreich durchlaufen: HIV-Test, kontrollierte Medikamenteneinnahme, spätere Kontrolle der Virenkonzentration im Blut etc. Leider gehen heute bei jedem dieser Schritte Patienten verloren: Man lässt sich nicht testen und wird deswegen nicht behandelt. Oder man lässt sich testen, beginnt danach aber die Behandlung nicht, oder bricht die Therapie frühzeitig ab etc.
Bis heute gibt es kaum Studien, die diese gesamte Kaskade beschreiben oder gar versuchen, sie zu verbessern. Das wollen wir ändern. Wir wollen herausfinden, wie wir erstens möglichst viele Menschen dazu bringen, einen HIV-Test zu machen. Zweitens wie positiv-getestete Patienten direkt und rasch eine Behandlung beginnen. Und drittens wollen wir den Therapieerfolg überwachen: Dazu messen wir die vorhandenen Viren im Blut der Patienten. Bei erfolgreicher Therapie sind praktisch keine Viren mehr nachweisbar. Diese so genannte unterdrückte Viruslast ist eines der Hauptziele einer HIV-Therapie. Denn so behandelte Menschen sind auch bei ungeschütztem Sex nicht mehr ansteckend für ihre Geschlechtspartner und entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Aids.
Ein HIV-Test wird durchgeführt (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
MS: Wie sind Sie dabei vorgegangen? Wie sieht das Projekt konkret aus?
NL: Wir versuchen, die Menschen zuhause zu erreichen. Damit erreichen wir insbesondere jene Menschen, die nicht von sich aus eine Klinik aufsuchen, um einen HIV-Test durchzuführen. So wollen wir die Zahl der HIV-Diagnostizierten steigern und damit zu den ersten „90“ der UNAIDS 90-90-90 Strategie beitragen.
Wir haben unser Projekt in Lesotho im Distrikt Butha-Buthe durchgeführt. Unsere Teams bestehen jeweils aus fünf so genannten Lay-Counselors (nicht-medizinisches Personal, das in der Durchführung von HIV Tests geschult wurde), einer Pflegefachperson mit Erfahrung in der HIV-Behandlung und einem Fahrer. Dieses Team fährt mit einem Auto in vorher zufällig ausgewählte Dörfer. Im Dorf gehen dann Teams von jeweils zwei Personen systematisch von Tür zu Tür. Nach der Begrüssung erfassen sie zunächst alle Personen eines Haushalts. Sobald der ganze Haushalt auf einer speziell entwickelten Tablet-App erfasst ist, bieten wir den Anwesenden die Möglichkeit eines HIV-Tests an. Nach erfolgter schriftlicher Einwilligung geht es los: Fingerpiks, Bluttropfen auf einen kleinen Papierstreifen, 15 Minuten warten. Personen, die sich testen lassen, wissen bereits: Werden zwei Striche sichtbar, ist der Test positiv. Bei einem Strich ist das Resultat negativ. Das ganze Testverfahren ist für die Leute sehr anschaulich. Denn alles geschieht vor ihren Augen. Es ist eben nicht so, dass Blut genommen wird, das dann irgendwo in einem Labor verschwindet, und später kommt ein Zettel zurück mit dem Testresultat! Manchmal sind gewisse Familienangehörige abwesend, z.B. der Ehemann ist gerade bei der Arbeit in Südafrika. Wir kommen dann am Wochenende ein zweites Mal vorbei, um auch diese Personen möglichst testen zu können.
Blut wird abgenommen (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Linkage to Care - das Zweite 90
MS: Was geschieht nun mit positiv getesteten Menschen?
NL: Positiv getestete Personen sollten sich möglichst rasch einer HIV-Behandlung unterziehen. Wir nennen das ‚Linkage-to-Care’. Das ist die eigentliche Achillesferse der bisherigen HIV-Behandlungsstrategien. In den meisten Programmen im südlichen Afrika beginnen deutlich weniger als 50% der positiv getesteten Personen eine Therapie. Mit unserem Projekt wollen wir insbesondere hier ansetzen. Denn die 90-90-90 Strategie will 90% der positiv getesteten Personen in eine Behandlung überführen.
MS: Was macht man in Ihrem Projekt nun anders als bei der herkömmlichen Vorgehensweise, um diese Linkage to Care zu verbessern?
NL: Aus Erfahrung wissen wir, dass bei üblichen Tür-zu-Tür Kampagnen nur einer von vier positiv Getesteten tatsächlich mit einer Behandlung beginnt. Das heisst drei von vier bleiben unbehandelt und sind damit für ihre Geschlechtspartner weiterhin ansteckend und werden mittelfristig an Aids erkranken.
Der Hauptgrund für diese niedrige Behandlungsrate sind die vielen praktischen Hindernissen: Wenn Sie sich vorstellen, Sie lebten in Lesotho in einem Dorf und man sagt Ihnen, Sie seien HIV-positiv und Sie sollten das rund zweieinhalb Stunden Fussweg entfernte Gesundheitszentrum aufsuchen, dann ist das zunächst mal schwierig. Wenn Sie dann hingehen, warten Sie dort einen ganzen Tag bis Sie eine erste Beratung erhalten (so genanntes Pre-ART Counselling). Sie werden nun darüber aufgeklärt, dass Sie im Rahmen der Therapie täglich eine Tablette nehmen müssen. Mit der Frage, ob Sie sich zu dieser Therapie bereit fühlen und der Einladung zu einem zweiten Gespräch, werden Sie mit leeren Händen nach Hause geschickt. Sie müssen sich also nochmals motivieren, einen Tag lang nicht auf dem Feld zu arbeiten, oder nicht bei Ihrer Arbeit zu erscheinen. Sie gehen dann wieder zur Klinik zurück und bekommen nochmals dieselbe Beratung. Wenn Sie Glück haben, schreibt der HIV-Berater im Spital nach dieser zweiten Beratung in Ihr Gesundheitsbuch: „Ready to start ART“. Das heisst, Sie haben jetzt die „innere Reife“, um die Medikamente zu erhalten. In diesem ganzen Prozess, gehen normalerweise drei von vier HIV-positiven Menschen verloren. Diese haben nicht die Geduld oder nicht die Mittel, dieses Prozedere durchzustehen.
Beratendes Gespräch nach durchgeführtem HIV-Test (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
MS: Was macht man in Ihrem Projekt nun besser?
In unserer Studie teilen wir neu positiv getestete Personen in zwei Gruppen ein: Die eine Gruppe wird auf die herkömmliche Art und Weise beraten. Die zweite, so genannte Interventionsgruppe erhält die Aufklärung direkt nach dem Test zuhause. Die Patienten werden dabei mit den notwendigen Medikamenten für die ersten dreissig Tage versorgt. Erst danach müssen sie ein erstes Mal die Klinik aufsuchen. Unsere ersten Zwischenergebnisse zeigen, dass sieben von zehn Personen pünktlich zur Klinik gehen, um einen Nachschub an Medikamenten zu holen. In der Vergleichsgruppe mit dem üblichen Pre-ART Counselling gehen während den ersten drei Monaten nur etwa vier von zehn Personen einmal zur Klinik. Unser Projekt zeigt also eine eindeutige Verbesserung.
Viruslastmessung – das dritte 90
MS: Das Ziel ist nicht nur, dass die Leute die Therapie beginnen, sondern dass die Therapie erfolgreich ist und die Medikamente das Virus unterdrücken. Wie oft wird das gemessen?
NL: Das ist ebenfalls eine grosse Herausforderung. Für die Messungen müssen die Leute in die Klinik kommen. Die Messungen der Viren im Blut benötigen eine sehr moderne Labor-Infrastruktur, die wir in vielen Gegenden mit geringen Ressourcen nicht haben. Der Unterhalt dieser Labors und auch die Reagenzien sind teuer. Trotz attraktiven Bedingungen der Diagnostikfirma kostet ein Test noch immer etwa 15 Dollar. Bei Tausenden von Patienten ist das noch immer sehr teuer. Deshalb messen wir die Viruslast nicht so häufig wie z.B. in der Schweiz. Grundsätzlich sagt man, dass sechs und zwölf Monate nach Therapiebeginn gemessen werden sollte. Ist die Viruslast dann entsprechend tief, reicht eine jährliche Messung. Die Resultate der Studie sind noch offen. Aber wir sind gespannt, ob der frühere Therapiebeginn dazu führt, dass die Medikamente regelmässiger eingenommen werden und damit keine Viren im Blut mehr nachweisbar sind.
(Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Die ersten 90 sind noch nicht ganz erreicht
MS: Abgesehen von bereits genannten Hindernissen: Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit diesem Projekt?
NL: Es ist vor allem eine Frage der Mittel. Es ist eine riesige Herausforderung, in weit abgelegene Dörfer zu fahren, um die Leute zu testen: Regenzeit, schlechte Strassen, stundenlange Autofahrten. In den Dörfern ist die Hälfte der Leute nicht zu Hause, man muss dann am Wochenende wiederkommen und trotzdem sind immer noch nicht alle da. Es ist machbar, aber es ist ein enormer Aufwand. Die Beratung und die Verabreichung der Medikamente ist dann vergleichsweise nur noch ein geringfügiger Aufwand. Das erste Ziel haben wir bisher nicht erreicht. Wir haben es nicht geschafft 90 Prozent der gesamten Bevölkerung des untersuchten Distriktes zu testen, denn etwa jeder Vierte war abwesend: Viele Menschen aus Lesotho arbeiten in den Minen in Südafrika und sind nur sporadisch zuhause. Und dann gibt es auch Menschen, die sich einfach nicht testen lassen wollen, wie z.B. junge Männergruppen, die hastig aus dem Dorf liefen, als wir angekommen sind.
Eine typische Siedlung in den Bergen von Lesotho. Die langen Anfahrtswege über schlechte Strassen erfordern viel Zeit und Ressourcen, um HIV Tests bei den Menschen zuhause anbieten zu können (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Lay-counsellors übernehmen eine wichtige Rolle
MS: Sind die eingesetzten Lay-Counsellors ohne medizinischen Hintergrund überhaupt in der Lage diese ganzen Aufgaben vom Test bis hin zur Beratungstätigkeit kompetent auszuführen?
NL: Das ist eine gute Frage. Im südlichen Afrika hat man aber sehr früh aus Mangel an Ärzten und einer sehr hohen Zahl an HIV-Infizierten mit dem sog. Task-Shifting begonnen. Die HIV-Therapie liegt damit in der Regel in der Hand von den KrankenpflegerInnen mit zwei oder drei Jahren medizinischer Ausbildung. Dies im Gegensatz zur Schweiz, wo HIV-Therapien nur von Fachärzten durchgeführt werden. Das Task-Shifting funktioniert aber sehr gut. In dem Projekt von SolidarMed sehen 90 Prozent der Patienten nie einen Arzt. Als wir mit dem Projekt begannen, mussten wir jedoch feststellen, dass wir auch zu wenig KrankenpflegerInnen für diese Aufgaben zur Verfügung hatten. Deshalb mussten wir Laienpersonal ausbilden. Technisch gesehen ist ein HIV-Test einfach durchzuführen. Schwieriger ist die anschliessende Beratung. Das zweiwöchige, standardisierte Training der Laienberater legt den Schwerpunkt des Trainings auf diese Beratung. Danach lässt sich nicht feststellen, dass eine biomedizinisch geschulte Person, das zwangsläufig besser macht als ein Laienberater.
(Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Das grösste Public-Health Abenteuer der Geschichte
MS: Wie bereit sind die Leute, die Medikamente einzunehmen, auch wenn die Krankheit noch gar nicht ausgebrochen ist?
NL: Konkrete Daten haben wir noch nicht, aber erste Erfahrungen. In Lesotho ist die Aids-Epidemie omnipräsent. Jeder kennt direkt Leute, die entweder an Aids gestorben sind oder Medikamente einnehmen. HIV ist damit weniger stigmatisiert als beispielsweise in Mittelprävalenzländern in Westafrika. Die Bereitschaft ist daher relativ gross, die Therapie zu beginnen. Auch wissen wir, dass HIV-Patienten, die bereits schwer erkrankt waren und dank der Therapie überlebten, grundsätzlich an ihrer Therapie festhalten. Wie sich die Therapietreue jedoch weiterentwickeln wird, wissen wir erst in ein paar Jahren. Für einige Kritiker ist die 90-90-90 Strategie das grösste Public Health Abenteuer der Geschichte: Im schlimmsten Szenario werden viele Therapien frühzeitig beendet und in der Folge tragen Millionen von Menschen ein resistentes HI-Virus in sich – dies wäre ein Desaster.
Das Pferd ist im gebirgigen Lesotho ein beliebtes Transportmittel (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Eine besondere Forschungspartnerschaft ermöglicht das Pilotprojekt
MS: Wie wird das Projekt finanziert?
NL: Wir haben ein Konsortium gebildet, bestehend aus dem Gesundheitsministerium von Lesotho, SolidarMed, dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) und dem Department für Biomedizin der Universität Basel. Diese vier Parteien haben das Projekt gemeinsam entwickelt und die Finanzierung aufgeteilt. Via Swiss TPH haben wir eine Forschungsförderung vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) über eine halben Million Schweizer Franken erhalten. Ein grosser Teil der Finanzierung wird vom Ministerium in Lesotho zur Verfügung gestellt. Dazu gehören z.B. die Therapiekosten sowie das Personal, welches in die Dörfer gesendet wurde. SolidarMed stellt die sonstige Infrastruktur zur Verfügung und das biomedizinische Departement vom Universitätsspital Basel brachte die Laborexpertise für die Viruslastmessung ein. Zudem haben weitere Stiftungen Forschungsteilprojekte finanziert, z.B. die Bangerter-Rhyner Stiftung und die Stiftung für Infektiologie beider Basel.
MS: Könnte Ihr Projekt auch als Modell für alle afrikanischen Ländern dienen?
NL: Unsere Vorgehensweise des Community-based testing und ART-Start ist eher ein Modell für ländliche Hochprävalenzgegenden wie Malawi, Swaziland, aber auch für Gegenden wie KwaZuluNatal im südlichen Afrika, Mozambique oder Simbabwe. In diesen Hochprävalenzländern hat man quasi einen „hohen Ertrag“, wenn man in die Dörfer fährt, um die Leute zu testen. Hingegen in Mittelprävalenz-Ländern, in denen nur ca. 2-5 Prozent positiv sind, ist es viel schwieriger, genügend Haushalte mit HIV+ Personen ausfindig zu machen.
Wir müssen radikaler werden
MS: Wie geht das Projekt weiter, was sind die nächsten Schritte?
NL: Jetzt sind wir natürlich sehr gespannt, wie die Viruslast von unseren Patienten nach 12 Monaten Ende 2017 aussieht. Das wird interessant. Ausserdem müssen wir radikaler werden. Das heisst wir werden weiterhin zu den Leuten nach Hause gehen, um den Test anzubieten. Neu werden wir aber für die Abwesenden Selftests zurücklassen. Damit kann sich jeder selber ganz einfach mittels Speichel testen. Ausserdem werden wir versuchen, einer nicht-medizinisch ausgebildeten Person in jedem Dorf einen Vorrat an Medikamenten zu geben. Die Leute können so während den ersten sechs Monaten bei dieser Person ihre Medikamente beziehen und müssen nicht zur Klink reisen.
Mutter und Kind nach durchgeführtem HIV-Test (Bild: Christian Heuss / Swiss TPH)
Den Erfindern der Fast-Track Kampagne muss man gratulieren
MS: Wie beurteilen Sie insgesamt die Kampagne von UNAIDS? Gibt es eine Chance dieses Ziel 90-90-90 bis 2020 zu erreichen?
NL: Das südliche und südöstliche Afrika wird nahe drankommen. West- und Zentralafrika werden das Ziel massiv verfehlen.
MS: Ist somit die Fast-Track-Kampagne gescheitert?
NL: Nein, ich glaube den Erfindern dieser Fast-Track-Kampagne muss man wirklich gratulieren. Sie haben verschiedene Elemente zusammengebracht. Sie haben neueste wissenschaftliche Evidenz berücksichtigt und dem Umstand Rechnung getragen, dass es vor einigen Jahren eine grosse „Aids-Müdigkeit“ bei den Geldgebern gegeben hat. Die Fast-Track Kampagne mit der Deadline bis 2030, hat nun neue Mittel mobilisiert. Die Finanzierung von Aidsprojekten hat an Attraktivität gewonnen. Jedes halbwegs ernst zu nehmende HIV-Programm muss sich an den 90-90-90 Zielen messen. Und das macht die Programme in gewisser Weise vergleichbar. Ausserdem zeigen uns Länder wie Botswana, dass es möglich ist, das Ziel zu erreichen und die HIV-Epidemie zu kontrollieren, wenn eine Regierung das auch wirklich will. Die Kaskade des HIV-Programms von Botswana ist heute besser als die Kaskade in den USA.
Viel hängt natürlich davon ab, wie es in Zukunft mit der internationalen und vor allem aktuell mit der Finanzierung aus den USA weitergeht. Diese Geldquellen sind für das südöstliche Afrika essentiell. Ich bin Optimist, ich kann mir nicht vorstellen, dass die grossen Player plötzlich die Finanzierung für HIV-Medikamente einstellen. Andererseits werden die Therapien künftig noch günstiger und effektiver. So werden wahrscheinlich bald langwirksame HIV-Medikamente, wie die Depot-Spritze oder Implantate, die mehrere Monate wirksam sind, auf den Markt kommen. In etwa fünf Jahren gehen wir dann hoffentlich von Tür zu Tür und können ein Depotmedikament anbieten, das sechs Monate wirkt.
MS: Das sind ermutigende Aussichten, Herr Labhardt. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Niklaus Labhardt führt die HIV-Beratungen am Kantonsspital Jura in Delémont (Schweiz) durch und arbeitet als Forscher am Schweizerischen Tropen und Public Health Institute (Swiss TPH). Ausserdem ist er der Leiter des Projekts "towards 90-90-90" im Butha-Buthe Distrikt in Lesotho. Kontakt: n.labhardt@unibas.ch |
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Das Interview führte Martina Staenke, Mitarbeiterin Kommunikation bei Medicus Mundi Schweiz/aidsfocus.ch. Kontakt: mstaenke@medicusmundi.ch
Ressourcen:
- CASCADE Trial: https://visibleimpact.org/projects/1197-cascade-trial
- Molecular HIV Monitoring in Lesotho: https://visibleimpact.org/projects/1261-molecular-hiv-monitoring-in-lesotho
- SolidarMed: http://www.solidarmed.ch/