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Filmpremiere am Welt-Aids-Tag 2015 in Basel – Kampf gegen das Stigma
Menschenrechte und Stigmatisierung

Filmpremiere am Welt-Aids-Tag 2015 in Basel – Kampf gegen das Stigma

Eine HIV-Diagnose bleibt auch im Jahr 2015 ein Stigma für Betroffene und die Angst vor Diskriminierung ist gross. Dass dies auch anders sein kann, dokumentiert ein tansanischer Film, der am 1. Dezember 2015, dem Welt-Aids-Tag, in Basel Premiere feiern wird: „Just Like You – Wie Du und Ich“. Der Film porträtiert eine infizierte Pfarrerin, die zusammen mit einer grossen Selbsthilfegruppe erfolgreich das kollektive Schweigen der Gesellschaft über HIV/Aids durchbrochen hat.

Eine aussergewöhnliche (Über-)Lebensgeschichte

Wer Melania Mrema Kyando zum ersten Mal begegnet, wird über ihre Offenheit überrascht sein: „Guten Tag. Ich bin Pfarrerin Melania und HIV-positiv“. So oder ähnlich stellt sie sich meist vor. Obwohl in ihrem Heimatland Tansania mindestens 1,5 Millionen Menschen infiziert sind, gibt es nur wenige Menschen, die derartig offen und öffentlich über ihren Status reden.

Wer ist diese tansanische Frau? Geboren wurde sie 1962 im Norden Tansanias als eines von 9 Kindern. Als sie spät heiratete, war sie schon Mitte 30 und Pfarrerin. Ihr Mann war Witwer, der fünf Kinder mit in die Ehe brachte. Zwei Jahre nach der Heirat wurde der Mann krank. Er hatte oft Fieber, dann Typhus, später noch Tuberkulose. Als er starb, nahm Melania all ihren Mut zusammen und fragte den Arzt nach der Ursache. Der nannte ihr schonungslos die Todesursache: Aids. Melania blieb ratlos zurück. Sie wusste, vermutlich hatte ihr Mann auch sie angesteckt. Es dauerte nicht lange, da wurde sie schwach. Typhus, Hautausschlag, Ausfall des Immunsystems, Tuberkulose. Monatelang im Bett. Sie lies sich testen: HIV-positiv. Es war die Zeit, in der HIV/Aids ein grosses Tabu war. Erkrankte waren geächtet. Melania fühlte sich isoliert, wurde depressiv.

Inzwischen hatte sie selbst eine Leitungsfunktion in der Kirche, kümmerte sich um Frauen, Witwen und Kinder – aber mit wem konnte sie reden? Über die Krankheit, an der so viele litten, wurde nicht gesprochen. Betroffene waren stigmatisiert, ausgegrenzt. So schwieg auch Melania und wurde dadurch nur noch schwächer. In ihrem Haus lebten damals die fünf Kinder des Mannes sowie noch drei Kinder ihres Bruders, der ebenso gestorben war. Dazu noch vier andere Mädchen, die sie bei sich aufgenommen hatte. Melania war schwer krank, konnte kaum noch im Kirchenbüro und erst recht nicht auf dem Feld arbeiten. Durch Zufall traf sie auf einer Konferenz eine Frau, die vom gleichen Schicksal gezeichnet war. Nur anders als Melania ging diese offener mit ihrer Erkrankung um. Diese Begegnung hat ihr die Augen geöffnet und Melania das Leben gerettet. Melania, die HIV-positive Pfarrerin, schloss einen Deal mit Gott: Wenn er sie am Leben lässt, dann würde sie nicht nur offen zu ihrer Infektion stehen. Sondern auch die Gesellschaft aufklären. Einen offenen Umgang mit der Krankheit auch in der Kirche anmahnen. Sie überlebte. Dank der Medikamente, die sie von nun an regelmässig nahm, aber auch vor allem dank ihres neuen Lebenswillens und ihres Auftrages: der Gesellschaft die Augen öffnen und Erkrankten beizustehen.

Positiv leben

Seit über 10 Jahren lebt Melania mit HIV und ist in Tansania zu einer grossen Botschafterin gegen die Ausgrenzung von Erkrankten geworden. Ihre Offenheit hat die Menschen nur am Anfang irritiert. Jetzt ist es weit akzeptiert. In der Region Mbeya, die etwa so gross ist wie die Schweiz, kennt fast jeder die couragierte Pfarrerin, die durch ihre Offenheit gegen die Stigmatisierung kämpft. Neben ihrer Arbeit mit Frauen und Kindern in der Kirche geht sie geht wöchentlich ins örtliche Spital und berät Patienten, die gerade eine HIV-Diagnose bekommen haben. In einer grossen Radiostation spricht sie regelmässig und beantwortet Fragen von Hörern. Auf den Wochenmärkten in ihrer Umgebung hat sie Beratungsbüros eröffnet, vor denen sich lange Schlangen Ratsuchender bilden.

Auch in Tansania ist in den vergangenen Jahren der Zugang zu ART deutlich verbessert worden. Wenn der HIV-Test positiv ausfällt, haben alle Anrecht auf kostenlose Medikamente. Die medizinisch-pharmazeutische Versorgung ist somit gewährleistet (wenn auch auf geringem Niveau). Woran es Infizierten aber deutlich mangelt, ist eine qualifizierte psychosoziale Begleitung. Viele sind von ihren Familien ausgestossen und erleben einen hohen Grad an gesellschaftlicher Diskriminierung.  Melania Mrema Kyando hat die Initiative ergriffen und eine Gruppe von Infizierten zusammengebracht, die sich regelmässig treffen: sie nennen sich Lusubilo, „Hoffnung“. Männer und Frauen, Grossmütter und Grosskinder, die ihre Erfahrungen miteinander teilen und offen über ein „positives“ Leben sprechen, das durch Medikamente und offenen Umgang mit der Erkrankung möglich ist. Sie treten nicht als bemittleidenswerte Opfer, sondern als selbstbewusste Menschen auf. Trotz eines positiven HIV-Status, bejahen sie das Leben. Sie rufen andere auf, sich testen zu lassen, um im Falle einer Infektion Zugang zu ART zu erhalten.

Just Like You – Wie Du und Ich.

Filmvorführung und Podium

Nicholas Calvin Mwakatobe, eine junger Filmemacher aus Dar es Salaam, hat Melania Mrema Kyando und die Lusubilo-Gruppe in den vergangenen Jahren intensiv begleitet. Ein Film ist entstanden, der den Lebensalltag dieser Menschen eindrucksvoll dokumentiert. Der Name des Filmes ist gleichzeitig ein eindeutiges Statement gegen jede Form von Stigma und Ausgrenzung: „Just Like You – wie Du und Ich“.

Die Premiere des Filmes findet am Welt-Aids-Tag, 1. Dezember 2015, 18.30 Uhr im Stadtkino Basel statt. Herzliche Einladung an alle Interessierten. Nach der Filmvorführung (auf Englisch mit Untertitel in Deutsch) wird Carine Weiss (Medicus Mundi Schweiz/aidsfocus.ch) mit Pfarrerin Melania Mrema Kyando und Nicholas Calvin ins Gespräch kommen. Im Anschluss besteht Gelegenheit zum Austausch bei einem Apéro.

Der Eintritt ist frei, es wird jedoch um Anmeldung gebeten:
info@mission-21.org.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite von Mission 21.

Autor: Johannes Klemm, Mission 21

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