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«Memory Work» - ein emotionaler Prozess
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«Memory Work» - ein emotionaler Prozess

Das Schreiben von Familienbüchern (Memory Books) ist in Uganda und Kenia für viele von Aids betroffene Familien ein Hilfsmittel, um sich in einer bedrückenden Situation besser zurechtzufinden. Die Arbeit am Buch ist ein emotionaler Prozess für Eltern und Kinder.

«Seien Sie sich bewusst, dass diese Arbeit starke Emotionen auslöst!», heisst es in einer Anleitung zum Schreiben eines Familienbuchs, die an Workshops in Uganda abgegeben wird.

Schon das von Schweigen umgebene Thema ist mit vielen negativen Gefühlen belastet, dazu werden schmerzliche Erinnerungen wach, und auch die ängstlichen Fragen der Kinder sind nicht leicht zu beantworten. Es ist ein Ziel dieser Methode, die Kinder einzubeziehen, denn wie die Eltern brauchen sie eine Gelegenheit, über ihre Sorgen und über die Zukunft zu sprechen. Das Schreiben eines Familienbuches ist ein Prozess, der mit dem Brechen des Schweigens beginnt. Seine Ansteckung mit dem HIV-Virus bekannt zu geben, braucht Mut und Überwindung. Verwandte und die Gemeinden reagieren oftmals mit Ablehnung und Ausgrenzung, wenn eine Familie von Aids betroffen ist.

Ein Familienbuch zeichnet die Familiengeschichte auf, macht Angaben zu Vater und Mutter, enthält Erinnerungen der Eltern – von denen oft ein Teil bereits an Aids gestorben ist – an die Kinder, bewahrt Photos, Souvenirs, Briefe auf. Familienbücher werden meist von HIV-positiven Müttern angelegt, aber auch von Verwandten, wenn schon beide Elternteile gestorben sind. Die Familienbücher werden zum Gedächtnis zahlreicher Familien, die früh auseinander gerissen wurden. Den Kindern vermitteln sie ein dringend nötiges Identitätsgefühl. In einer gesellschaftlichen Situation, in der die Erziehung der Kinder durch Erwachsene nicht mehr gewährleistet ist, sind sie ebenfalls eine Quelle der Überlieferung und der Tradition.

Die Organisation, die in Uganda am meisten Erfahrungen mit der «Erinnerungsarbeit» gemacht hat, ist NACWOLA (National Community of Women Living with HIV/AIDS). Die Erfahrung von NACWOLA-Müttern ist die, dass ihnen die Arbeit an einem Familienbuch half, über ihre Krankheit und über die Auswirkungen auf die Familie zu sprechen. Sie fanden den Mut, die Planung der Zukunft anzugehen (z.B. Schreiben eines Testaments, Suchen einer Pflegefamilie für die Kinder) und es war leichter für sie, die Kinder auf den Verlust vorzubereiten. Schliesslich entdeckten sie, dass die neue Offenheit und das Vertrauen eine Last von ihnen nahm. Sie hatten mehr Energie, um die schwierigen Zeiten anzugehen, die vor ihnen liegen. (2012)

 

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