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Thema des Monats: HIV/Aids in Gefängnissen
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Thema des Monats: HIV/Aids in Gefängnissen

Solange wir den Bedürfnissen von vulnerablen Gruppen (sogenannte “key populations”) nicht gerecht werden, kann eine nachhaltige HIV Eindämmung nicht erreicht werden. Bis heute, haben es die meisten Regierungen vernachlässigt, sich mit HIV in Gefängnissen auseinanderzusetzen.

HIV Präventionsprogramme sind für Inhaftierte selten zugänglich und viele HIV-positive Gefängnisinsassen haben keinen Zugang zu lebenserhaltender antiretroviraler Behandlung.

HIV in Gefängnissen

Gefängnisse stellen Kontaktpunkte für Millionen von Menschen mit HIV dar, wie auch für solche, die dem Risiko sich mit HIV zu infizieren ausgesetzt sind. Die HIV-Infektionsrate unter den Gefangenen ist in vielen Ländern deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Weltweit sind schätzungsweise 10 Millionen Menschen pro Jahr in Gefängnissen inhaftiert und rund 30 Millionen Gefangene wechseln zwischen Inhaftierung und Wiederfreilassung. Der Hauptanteil der Inhaftierten befindet sich in den Gefängnissen Russlands, Chinas und der Vereinigten Staaten. Die HIV-Prävalenz in den Gefängnissen wird 2 - 10-mal höher geschätzt als die in der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung. Zum Bespiel wurde im Jahr 2010 geschätzt, dass 55.000 (6.5%) der russischen 846.000 Insassen mit HIV infiziert sind.

HIV Übertragungsrate in Gefängnissen

Die Hauptübertragungswege sind bekannt: Der Drogenkonsum ist hoch und saubere Nadeln sind ein Luxus, ungeschützter Geschlechtsverkehr die Regel, da kaum Kondome verteilt werden und das Stechen von Tattoos mit infizierten Nadeln ist  vor allem in Russland ein typischer Brauch unter Inhaftieren.

Gefängnisse stellen eine Umgebung mit hohem Risiko für die HIV-Übertragung dar: Drogenkonsum und Nadeltausch, Erstellen von Tätowierungen mit selbstgebastelten und nicht sterilen Utensilien sowie Hochrisiko-Sex und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Die Überbelegung erhöht die  Ausbreitung von opportunistischen Infektionen bei HIV-Infizierten, da Stress, Mangelernährung, Drogen und Gewalt das Immunsystem zusätzlich schwächen und die Anfälligkeit für weitere Erkrankungen verstärkt.

Die Verwendung von kontaminiertem Besteck  bei der Injektion  von Drogen ist einer der Hauptübertragungswege in Gefängnissen. Grundsätzlich ist es in den Gefängnissen schwierig, sauberes Spritzbesteck zu erhalten – das Besitzen einer Nadel ist an sich schon eine strafbare Handlung - und da somit auch keine Sterilisierungsmöglichkeiten vorhanden sind,  teilen sich viele Menschen die unsauberen Utensilien.

Trotz des Verbots sind in vielen Gefängnissen sexuelle Aktivitäten unter den Insassen üblich. Die Nichtverfügbarkeit oder Nichtnutzung von Kondomen ist sehr verbreitet. Die Häufigkeit von homosexuellen Vergewaltigungen in Gefängnissen und Haftanstalten ist sehr schwer abzuschätzen. Das Opfer, welches sich traut über eine erlittene Vergewaltigung im Gefängnis zu berichten, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit weiteren Leiden und Verletzungen ausgesetzt sein.

Auch das in den vielen Gefängnissen illegale Tätowieren, meist ohne sterile Instrumente ist eine verbreitete Aktivität. Hautpunktionen werden mit aufbereiteten, geschärften und veränderten Gegenständen, wie Heft- und  Büroklammern oder den Minen von  Tintenkugelschreibern eingebrannt.

Gesundheit in den Gefängnissen ist ein Public Health Thema

Trotz des hohen HIV-Übertragungsrisikos in Gefängnissen stehen oft keine HIV-Präventionsprogramme für Häftlinge zur Verfügung. Gefangene sollten jedoch die gleichen Menschenrechte als nicht-inhaftierten Personen bekommen, und dazu gehört auch der Schutz vor jeder übertragbaren Krankheit. Dies erfordert eine entsprechende Schulung des Gefängnispersonals. Alle Mitarbeitenden sollten darüber informiert sein, wie eine Haft die Gesundheit beeinflusst, welche spezifischen Gesundheitsbedürfnisse bei den Insassen vorrangig sind und wie evidenzbasierte Gesundheitsdienste für alle die Behandlung, Pflege und Prävention im Gefängnis benötigen, zur Verfügung gestellt werden können.

Medizinische Behandlung von HIV infizierten Insassen

Gefängnisse, entworfen um Menschen zu bestrafen, haben oft nicht das Niveau der Gesundheitsversorgung, die  für Patienten mit HIV erforderlich wäre. HIV in Gefängnissen wirft Fragen auf, die in der allgemeinen Bevölkerung nicht existieren. Das Vorhandensein von HIV-Testmöglichkeiten schwankt zwischen den Gefängnissen, sie sind entweder obligatorisch, fakultativ oder nicht existent. Die WHO empfiehlt, dass Gefängnisse leichten Zugang zu freiwilligen HIV-Tests und Beratung für die Insassen anbieten sollten. Die Erfahrung zeigt, dass dadurch die Rate der freiwilligen Tests erhöht werden konnte. Die Schweigepflicht bleibt dennoch ein Problem. Es ist praktisch unmöglich, in den Gefängnissen die vertrauliche Behandlung medizinischer Informationen zu garantieren.

Gefängnisse entgehen der öffentlichen Aufmerksamkeit und entkommen der Verantwortung ein angemessenes  Betreuungsangebot bereit zu stellen. Lücken in der Behandlung entstehen durch die Verlegung von Häftlingen in andere Strafanstalten. Chronischen Krankheiten wie HIV erfordern teure Gesundheitsdienste, in Bezug auf Personal, Aufwand und Know-how, Labortests und Medikamente. Durch die fehlende angemessene Finanzierung seitens der Regierungen, können jedoch die notwendigen Gesundheitsdienstleistungen zur Behandlung von HIV-positiven Häftlingen nicht angeboten werden.

Selbst in Ländern, in denen Medikamente leicht verfügbar sind, führen Verlegung und Komplikationen innerhalb des Gefängnissystems häufig dazu, dass HIV-positive Häftlinge ihre medikamentöse antiretrovirale Behandlung nicht regelmässig einnehmen können. Eine gängige Praxis ist die Beschlagnahmung aller Medikamente von Gefangenen durch das Gefängnispersonal im Zuge der Suche nach Schmuggelware. Gerichtstermine, Verlegungen zwischen den Einrichtungen, Strafmaßnahmen und Haftentlassung sind Faktoren im Leben eines Gefangenen, die eine Unterbrechung der Therapie zur Folge haben können. Um diese Unterbrechungen zu verhindern, müssen rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.

Was muss getan werden?

Bis heute haben es die meisten Regierungen  vernachlässigt, sich mit einer HIV Erkrankung bei Inhaftieren zu befassen. Es gibt zahlreiche Belege, dass entsprechende Präventionsmassnahmen ein HIV bezogenes Risiko-Verhalten nachhaltig reduzieren, sowohl in der Allgemeinbevölkerung wie auch unter Gefängnisinsassen:

  • Es gibt keine genauen Zahlen, aber der Mangel an Daten sollte  kein Grund sein, Massnahmen zur Prävention von HIV  zu stoppen oder Schlüsselgruppen („key populations“) zu vernachlässigen.
  • Aufgrund der Tatsache, dass sexuelle Kontakte in den Gefängnissen üblich sind, ist es umso wichtiger, Kondome und Gleitmittel für die Gefangenen zugänglich zu machen.
  • Um das Recht auf Gesundheit in den  Strafanstalten zu verbessern, wäre es sinnvoll die Verantwortung für die Gesundheit im Strafvollzug dem Gesundheitsministerium zu übertragen, anstelle sie beim Justiz- oder Innenministerium anzusiedeln.
  • Ein Peer-basierter und umfassender Ansatz erhöht die Wirksamkeit der HIV-Prävention in Gefängnissen (s. Film on Irish Red Cross CBHFA Prison project).
  • Informations- und Aufklärungsprogramme über HIV und andere Infektionskrankheiten einschliesslich  über deren Behandlung müssen sowohl für die Gefangenen als auch für das Gefängnispersonal  angeboten werden.
  • Besondere Aufmerksamkeit sollte auf die Bedürfnisse der Gefangenen nach der Entlassung gerichtet  werden.
  • Gewaltprävention ist die fortlaufende Verantwortung des Gefängnispersonals. (Foto: www.aidsmap.com)


References

WHO - Prisons and other closed settings

http://www.who.int/hiv/topics/prisons/en/

Consolidated guidelines on HIV prevention, diagnosis, treatment and care for key populations, WHO (2014)

http://www.who.int/hiv/pub/guidelines/keypopulations/en/

Good governance for prison health in the 21st century - A policy brief on the organization of prison health, UNODC, WHO/EURO (2013)

http://www.who.int/hiv/pub/prisons/prison_health/en/

HIV and AIDS in places of detention: a toolkit for policymakers, programme managers, prison officers and health care providers in prison settings, WHO (2008)

http://www.who.int/hiv/pub/prisons/detention_toolkit/en/

AIDS prevention, care, treatment and support in prison settings: a framework for an effective national response, UNODC/WHO/UNAIDS (2006)

http://www.who.int/hiv/pub/prisons/prison_framework/en/

HIV prevention, treatment and care in prisons in South-east Asia

Larney, S., Morton, P. & Dolan, K. (2007). Sydney: National Drug and Alcohol Research Centre.

The aim of the review was to gather information relating to HIV prevention, treatment and care in prisons in the WHO South East Asia region. Countries selected for inclusion in the review were India, Indonesia, Thailand and Nepal.

https://ndarc.med.unsw.edu.au/resource/hiv-prevention-treatment-and-care-prisons-south-east-asia

 

Youtube videos

Irish Red Cross CBHFA Prison project | Prison inmate Ryan talks about HIV awareness in prisons (2013)


 

Russian Prison Tattoo - Prison Documentary (2014)