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«Ich habe tansanische Frauen aufgewiegelt»

«Ich habe tansanische Frauen aufgewiegelt»

Vier Jahre lang unterstützte Claudia Zeising die kirchliche Frauenarbeit der Südprovinz der Moravian Church in Tanzania. Die Themen waren breit gefächert: gesunde Ernährung, Kaninchenzucht, Naturmedizin, HIV/Aids. Vor allem aber: den Selbstwert der Frauen stärken.

«Ich habe unglaublich starke Frauen kennengelernt. Wunderbare, kraftvolle Frauen, die sich aber - sobald ein Mann dazu kommt - nicht mehr trauen, diese Kraft zu zeigen. Sie werden einfach stumm.» Geradezu schockiert sei sie gewesen, als sie das erste Mal erlebte, dass Frauen sich vor Männern ehrerbietig auf den Boden legten. Diese Haltung sei auch sonst im Miteinander immer wieder spürbar: Männer haben Macht, Frauen halten sich zurück. Das habe sie immer wieder wütend gemacht, erzählt Claudia Zeising, gleichzeitig aber auch motiviert: Sie wollte die Frauen dafür sensibilisieren, was sie alles können. Wie wertvoll sie sind. Frisch nach dem Studium sei sie lange nicht so eine Feministin gewesen wie heute, sagt die 57-Jährige lachend. Die Erfahrung der Ungerechtigkeit habe sie dazu gemacht.

Jungs spielen, Mädchen arbeiten

«Jungs dürfen spielen und haben Zeit für Hausaufgaben, Mädchen müssen von klein auf im Haushalt und auf dem Feld helfen, Lasten tragen, auf noch kleinere Kinder aufpassen.» Das werde nicht hinterfragt, sei einfach so, hat Zeising immer wieder erlebt. Manche Frauen würden in ihrer eigenen Familie «wie Sklavinnen» gehalten, berichtet sie. Dabei würde alles zusammenbrechen, wenn die Frauen streiken würden.

Praktische Kursarbeit

Die kirchliche Frauenarbeit der Moravian Church in der Südprovinz ist eine riesige Bewegung, der etwa 80'000 Frauen angehören. Diese treffen sich wöchentlich in einer der 280 Gruppen. «Bevor ich kam, beschränkte sich die Frauenarbeit oftmals auf Fundraising, Feste organisieren, Lieder singen, Bibel lesen», erzählt Claudia Zeising. Die praktisch veranlagte Agrarwissenschaftlerin reiste zu Beginn ihres Einsatzes gemeinsam mit der Leiterin der Frauenarbeit Melania Mrema Kyando durch die grosse Kirchenprovinz, besuchte alle Gemeinden und lernte die Leiterinnen und viele Mitglieder der Frauengruppen kennen. Überall fragte sie: «Was braucht ihr? Was ist euer grösstes Bedürfnis?» Und immer wieder antworteten die Frauen, die mit ihren Familien fast alle von der Subsistenzwirtschaft leben: «Wir brauchen dringend Einkommen.» Also ging es in Workshops um zeitsparende Anbaumethoden, die Steigerung der Qualität und der Erträge, ausserdem um zusätzliche Einnahmequellen wie Kunsthandwerk. Eine Nähgruppe entstand, die sich so gut entwickelte, dass sie heute international verkauft und eine eigenständige NGO werden will.

Gemeinsam können wir es schaffen

Claudia Zeising hat die Frauen ermutigt, sich zusammenzutun. Sich auszutauschen, über Probleme zu sprechen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Sich gewissermassen zu verbünden. In der lokalen Kultur, die eine Schamkultur sei, falle es den Frauen schwer, über eigene Schwierigkeiten zu reden. Das Motto der Frauenarbeit wurde «Pamoja tunaweza», gemeinsam sind wir fähig. «Ich habe ihnen gesagt: Wenn ihr euch alleine irgendwo hinstellt und schreit, hört euch niemand. Aber stellt euch mit 50 Frauen hin und schreit! Dann werdet ihr gehört. Ein Teil meiner Arbeit war also, Frauen aufzuwiegeln!» resümiert sie mit einem Augenzwinkern.

Claudia Zeising hat erlebt, dass Frauen mutiger wurden und sich trauten, gegenüber Männern ihre Meinung zu vertreten. Sie erinnert sich an eine Frau, die nach einem Seminar auf sie zukam und unter Tränen sagte: «Zum ersten Mal habe ich begriffen, dass ich etwas wert bin.» (2014)

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